Montag, 22. Februar 2016

DER BANNSTRAHL DER WISSENSCHAFT UND MESMERS RÜCKZUG


Zeitgenössische Karikatur der magnetischen Behandlung
Wenn aber selbst manche seiner Schüler an der Existenz dieses geheimnisvollen Fluidums zweifelten, wie sollte die wissenschaftliche Anerkennung dann von jenen Großkopferten der Wissenschaft zu erwarten sein, die der Idee einer alles durchdringenden Lebensenergie noch weitaus ferner standen? Wesentlich bei dieser Untersuchung war die Tatsache, dass nicht die Wirkung und die Heilpraxis von Mesmer untersucht wurde, sondern die wissenschaftliche Theorie des "animalischen Magnetismus", also die Frage, existiert eine solche Energie oder nicht.

So wurde, wie nicht anders zu erwarten, wissenschaftlich der Bannstrahl auf Mesmers Lehre gerichtet. Die königlichen Kommissionen befanden, dass
"die Existenz dieses Magnetismus durch nichts bewiesen werden kann; dass dieses Flüssige, da es nicht existiert, auch folglich ohne Nutzen ist ...; dass das Berühren und Auflegen der Hände und die mehrmals in Bewegung gesetzte Einbildungskraft, in der Absicht eine Krisis zu erwecken, schädlich sein kann; ferner dass der Anblick dieser verschiedenen Krisis, der Nachahmung wegen, zu der die Natur einen Hang in uns gelegt zu haben scheint, nicht weniger gefährlich ist und dass folglich jede öffentliche Behandlung ... mit der Zeit nichts anders als traurige Folgen nach sich ziehen kann."
 
Es gab noch zahllose Erwiderungen, Für- und Gegensprecher, in jedem Fall eine große öffentliche Aufmerksamkeit für Mesmer und seine Lehre. Auf dem Höhepunkt dieser öffentlichen Auseinandersetzungen verließ Mesmer die französische Hauptstadt und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Bereits vorher war von Mesmers Schülern, zunächst ohne später mit Mesmers Einverständnis, die Société de l'Harmonie ins Leben gerufen worden, eine Verbindung von logenähnlichem Ausbildungs- und Forschungsinstutut für den Magnetismus, in den man sich mit Geldeinlagen einkaufen konnte, um als Magnetiseur ausgebildet zu werden. Die Harmoniegesellschaft wurde ein grosser Erfolg, auch außerhalb von Paris. In ganz Frankreich entstanden in dieser Zeit Ableger der Gesellschaft und sog. magnetische Kliniken.

Mesmer selbst war enttäuscht, zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück und verschwand bald vollständig von der Bildfläche. Niemand wusste, wo er geblieben war, während die öffentliche Diskussion um seine Lehre weiterging.

Sein Schüler Marquis de Puysègur, der den magnetischen Schlaf, also die hypnotische Trance, entdeckt hatte, übernahm nun die Führung der Gesellschaft der Harmonie und der mesmeristischen Bewegung. Die Version des Mesmerismus, die nach Mesmers Rückzug weiter lebte, war die Version Puységurs. Sie führte allmählich zu einem Vergessen der lebensenergetischen Grundlagen der Mesmerschen Lehre.

Zwar gewann der Mesmerismus auch nach der Französischen Revolution noch Aufmerksamkeit im Preußen der Romantik, hatte aber den Höhepunkt seines kulturhistorischen und geistigen Einflusses verlassen. Mit Puysègur beginnt letztlich die Geschichte der Bedeutung des Magnetismus für die tiefenpsychologischen Ausläufer seiner Entdeckungen, die über Puységur und seine Nachfolger schließlich über Braid, Bernheim, Charcot und Freud und in die moderne Psychotherapie des 20. Jahrhunderts führt.

(Fortsetzung folgt)

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