Donnerstag, 4. Februar 2016

FRANZ ANTON MESMER: ERFOLGE, NIEDERLAGE UND SPIRITUELLE KRISE

Mesmerdenkmal in Meersburg am Bodensee
Die Fehlinterpretationen hinsichtlich des Charakters seiner Lehre mögen zudem darauf zurückzuführen sein, dass das ganzheitliche Natur- und Menschbild, das Mesmer vertrat, für lange Zeit nur in Subkulturen und Nischen des siegreichen medizinischen und psychologischen Weltbildes überleben konnte. Vielleicht mahnt die starke Anziehung, die ganzheiliche Körper-Seele-Modelle heute erleben, die Hegelsche List der Vernunft an, dass jenes "Verdrängte" des Weltgeistes dieser Tage wieder machtvoll zur Oberfläche drängt.

Auf diesem Hintergrund wird es um so naheliegender, das komplexe, fast vergessene Natur-Modell eines F. A. Mesmers eingehender zu studieren als dies bis jetzt, von Ausnahmen abgesehen, der Fall ist.

Doch gehen wir weiter in der Geschichte. In Wien gelangen Mesmer einige spektakuläre Heilungen mithilfe seiner energetischen Methode, die teilweise auch berühmte Zeitgenossen betrafen wie Peter von Osterwald, ein einflussreiches Mitglied der Münchner Akademie der Wissenschaften, der Mesmers Arbeit zunächst überaus skeptisch gegenüberstand. Dies ermöglichte, dass das Interesse und die Nachfrage nach dem "animalischen Magnetismus" deutlich zunahm und Mesmers Name weit über Wien hinaus bekannt wurde.

1777 begegnete Mesmer einer jungen Frau mit Namen Paradis, die bekannt war als Pianistin am Hofe der Kaiserin Maria Theresia. Diese Jungfrau Paradis galt ebenso als talentierte Musikerin wie als unheilbar blind.

Mesmer untersuchte sie, diagnostizierte die Augen als von "hysterischem Konvergenzkrampf, der mit Akkomodationskrampf und Pupillenverengung einhergeht", betroffen. Es gelang ihm in einer mehrwöchigen intensiven Behandlung, die Sehfähigkeit der jungen Pianistin allmählich wieder herzustellen, eine Heilung, die den angesehensten Ärzten Wiens in vielen Jahren intensivster Therapie offenbar nicht gelungen war und die vom Vater der Pianistin anschaulich dokumentiert wurde.

Auf Drängen des ärztlichen Establishments und der Eltern wurde die Behandlung jedoch vorzeitig abgebrochen, was unmittelbar zum Rückfall in die Blindheit führte, der Familie jedoch die großzügige lebenslange Rente durch die Kaiserin rettete. Wie dem auch sei, Mesmer wurde in diesem Zusammenhang öffentlich diffamiert und sah sich plötzlich als Betrüger und Scharlatan diskreditiert.

Dieser plötzliche Karriereknick löste eine tiefgehende persönliche Krise bei Mesmer aus, die offenbar mehrere Monate andauerte und als spirituelle Krise gedeutet werden kann: "Ich bereute die Zeit, die ich andwandte, Ausdrücke für meine Gedanken zu suchen. Ich fand, dass wir jeden gefassten Gedanken unmitelbar, ohne langes Nachsinnen, in die Sprache einzukleiden pflegen, die uns die bekannteste ist. Und da fassst ich den seltsamen Entschluss, mich von dieser Sklaverei los zu machen (...) Drei Monate dacht' ich ohne Worte." (Aus: F. A. Mesmer: Kurze Geschichte des Thierischen Magnetismus)

Mesmer beschreibt hier die tiefgehende spirituelle Erfahrung einer Transformation des Egos, das mit der Welt der Sprache der Gedanken, also des Ego-Verstandes identifiziert war und sich neue Wege jenseits dieser Ebene erschließt. Das, was er hier über sich beschreibt, lässt sich als eine Art Erleuchtungserfahrung deuten, die ihn als transformierte Persönlichkeit aus diesen Erlebenissen entlässt.

(Fortsetzung folgt)
 

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