Montag, 25. Januar 2016

MESMER UND DIE LETZTE SCHLACHT EINER METAPHYSISCHEN MEDIZIN


Spektakuläre Heilerfolge und persönliches Charisma ließen Mesmers Ruf als genialer Heiler über Wien hinaus in ganz Europa ertönen. Manche Ärzte begannen mit seinen Methoden zu experimentieren, aber im professionellen Umfeld überwogen am Ende doch die Gleichgültigen, die Neider, Skeptiker und erbitterten Gegner seiner neuartigen Heilungsmethode.

Der Nimbus Mesmers in der Öffentlichkeit wuchs jedoch unaufhaltsam, auf Reisen in ganz Europa verbreitete sich seine Heilmethode des thierischen Magnetismus und faszinierte die Menschen jener Zeit. Mesmer wurde populär wie ein "Superstar", beschäftigte die Phantasien des Volkes und seiner Herrschaften, machte ihn zum umworbenen Gast an fast allen Höfen Europas. Bis in die Neue Welt sollte sein Ruf dringen, Benjamin Franklin zum Beispiel wurde einer der exponierten Anhänger Mesmers in jenen Tagen.

Im Jahre 1800 umfaßte eine Bibliographie des animalischen Magnetismus ca. 1.000 Titel. Was machte diesen Mann so populär und weshalb hinterließ er so viele Fehlinterpretationen?
Geistesgeschichtlich mag ein Motiv für diese Popularität gewesen sein, dass er in der Epoche der Aufklärung, des machtvoll aufbegehrenden Rationalismus, in den Jahren vor der französischen Revolution, jene metaphysische Sehnsucht symbolisierte, in welcher der Hauch des Numinosen weiterhin atmen durfte.

Von Mesmers eigener Persönlichkeit her mag seine Popularität der Tatsache zu verdanken sein, dass er neben seiner charismatischen Ausstrahlung über wirklich außergewöhnliche Heilungsfähigkeiten verfügte, die allerdings schon damals v. a. von Ärzten und Naturwissenschaftlern als Suggestivkraft oder Scharlatanerie abgewertet wurde. Wobei Mesmer gleichzeitig in medizinischen Kreisen eine grosse Anhängerschaft besaß und viele Mediziner Europas zumindest zeitweilig mit seinen Methoden experimentierten.

Mein Eindruck ist, dass er, wie es bei jeder neuen Idee der Fall zu sein scheint, die professionelle Welt und die Öffentlichkeit in zwei Lager spaltete: in Skeptiker und Anhänger mit entsprechenden Heilserwartungen. Doch die Skeptiker legten ihm Steine in den Weg, wo sie konnten, das begann in Wien, und sollte sich später sich in Paris fortsetzen. Viel Feind, viel Ehr, könnte man meinen, aber die Verbissenheit seiner Gegner wirft auch Fragen auf.

Warum durfte es nicht sein, dass Mesmer einfach ein außerordentlicher fähiger Arzt und Heiler war? Vielleicht erinnerte er seine professionellen Zeitgenossen allzu sehr daran, dass Heilung nicht allein ein rational-mechanistischer und logischer Prozess ist, sondern auch Irredenta-Gebiete metaphysischer Natur in sich birgt. Vielleicht war dies die letzte Schlacht der metaphysischen Medizinmodelle gegen die allopathische Schulmedizin. Wer den Krieg gewann, wissen wir ja heute. Und wie so oft ist die Geschichte eine Geschichtsschreibung der Sieger.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 24. Januar 2016

WILHELM REICH UND SEIN RADIKALER BEGRIFF VON GESUNDHEIT UND KRANKHEIT

Radikal wie sein Verständnis der Funktionsgesetze der menschlichen Sexualität zeigt sich Reichs generelles Verständnis von Gesundheit und Krankheit.
 
Gesundheit und Krankheit Provokant, sowohl für das Individuum als auch für die gesamte Kultur, mag eine Prämisse sein, die sein Werk durchzieht: Die Gesellschaft als Ganzes ist der pathogene Faktor, die „Massenneurose“ der Menschen die Regel. Und wer will schon gerne als „seelisch krank“ abgestempelt werden? Bezeichnend für Reich war seine ständige Suche nach einer exakten Definition dessen, was »gesund« oder »natürlich« bedeutet:
  • In seiner Orgasmuslehre suchte er nach eine genauen qualitativen Definition der orgastischen Erlebens und fand die »Orgasmusformel«.
  • In seiner psychotherapeutischen Praxis fahndete er nach dem objektiven Kriterium für körperliche und seelische Gesundheit und fand den sog. „Orgasmusreflex“.
  • In seinem sozialpolitischen Engagement suchte er das soziale Idealmodell, fand sie im Kommunismus der Marxisten, später in seinem Modell der „Arbeitsdemokratie“.
  • In seiner Suche nach dem Gesunden und Reinen im Menschen wandte er sich am Ende den Neugeborenen zu und fand in ihrem »unverdorbene Protoplasma« die Hoffnung auf Zukunft.
 Ein anderer, ebenso folgenreicher Aspekt von Reichs Suche nach dem »Gesunden« und »Natürlichen« ist die in ihr enthaltene Tendenz zur Normierung. Die Faszination der Themenkreise, mit denen sich Reich beschäftigte, liegt darin, daß es solche sind, die noch weitgehend mit Unwissenheit, Unsicherheit und Tabu belegt sind: Sexualität und Orgasmus, das Geheimnis der Emotionen, das Wesen des Kindheit.

Nun sind diese Felder geradezu prädestiniert für Normen und Normierungen, es sind ja in der Tat Gebiete, auf denen unsere Kultur in Erziehung und Bildung unübersehbare Defizite bewirkt. Unsicherheit, Kränkbarkeit und vielfältige Probleme sind hier die Regel. Fragen, die nicht gestellt werden, Antworten, nach denen sich Menschen sehnen. Reich gab seine Antworten mit frappanter Sicherheit, charismatisch, überzeugend und nachdrücklich. Das machte ihn anziehend und abstoßend zugleich.

Die Anziehung führte zu einer fast kultischen Verehrung durch seine Schüler und Nachfolger, die Abstoßung in einer verächtlichen Pathologisierung von Reichs Person (er galt bereits in den 30er Jahren als schizophrener Psychotiker) und vor allem zu Berührungsblockaden mit seinen Thesen, die bis heute andauern.


(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 21. Januar 2016

BIOGRAFISCHE HINTERGRÜNDE FRANZ ANTON MESMERS

Mesmers Geburtshaus in Iznang am Bodensee

Werfen wir also einen genaueren Blick in das Leben und Werk des Franz Anton Mesmer. Er wurde am 23. Mai 1734 als Sohn eines im kirchlichen Dienst stehenden Jägers in Iznang am Bodensee geboren. Das Haus seiner Geburt existiert noch und ist mit einer Gedenktafel versehen. Franz Anton wuchs weitgehend frei und naturnah auf, streifte als Junge durch die Wälder am Bodenseee, entwickelte eine frühe und enge Bindung zur Natur.

Er promovierte 1765 in Wien zum Doktor der Medizin. Seine Dissertation trug den Titel: "Über den Einfluß der Planeten auf die Gesundheit des Menschen", eine Fragestellung, welche Mesmer nicht — wie fälschlicherweise häufig angenommen — aus astrologischer Sicht, sondern durchaus naturwissenschaftlich stellte:
"dass auch im menschlichen Körper die Flut eintrete, sobald durch dieselben Kräfte, durch welche das Meer und die Atmosphäre anschwillt, auch unsere Säfte in ihren Gefäßen in verschiedene Bewegung und in Aufruhr geraten, zu steigen beginnen und in größerer Menge in der Richtung gegen den Kopf getrieben werden. Bei den Pflanzen ist ein Aufsteigen der Säfte zur Zeit des Vollmondes zu bemerken. Und nichts anderes lernen wir aus der Geschichte verschiedener Krankheiten. Die Epilepsie pflegt sich periodisch besonders zur Zeit des Neu- und des Vollmondes einzustellen, weswegen man sie auch die Mondkrankheit nennt."

1767 heiratete Franz Anton Mesmer eine reiche Witwe, was ihm alsbald ermöglichte, in die Elite der Wiener Gesellschaft aufzusteigen. Er verfügte bald über einen prächtigen Landsitz. Musiker wie Gluck, Haydn und die Familie Mozart zählten zu seinen regelmäßigen Gästen. Mesmer selbst spielte das heutzutage nahezu vergessene Instrument der Glasharfe, das er sein Leben lang liebte und später auch bei seinen Heilungsritualen einsetzen sollte.

Die ersten Schritte auf dem Gebiet des Heilers unternahm Mesmer mithilfe von Magneten. Wie in seiner Dissertation angedeutet, galt sein Interesse den magnetischen Einflüssen des Planetensystem. Seine medizinische Grundidee war zunächst, mithilfe von Magneten den Patienten von seinen Symptomen zu befreien, die er als biomagnetische Störungsvorgänge im Organismus interpretierte. Dazu applizierte er Eisenmagneten am Körper des Patienten. Später versuchte er, deren Wirkung zu verstärken, indem er zusätzlich sich selbst mit Magneten ausstaffierte.

Eine neue Stufe seiner Heilungstechnik war erreicht, als er, etwa im Jahre 1774, entdeckte, dass gleiche Wirkungen auch ohne die Applizierung der Magneten auftraten. Sollte er selbst magnetisch sein? Sein Modell des animalischen Magnetismus gewann an Gestalt: Er nahme an, dass eine Lebensenergie in allen belebten Lebensformen, ebenso wie im belebten Äther des Kosmos fließt. Ungleichgewichte und Disharmonien dieses biologischen Magnetismus führten zu Krankheiten. Heilung fand statt, wenn diese Lebensenergie ihr Gleichgewicht, ihre Harmonie durch die Methoden des Magnetiseurs wiederfand. Die Beschreibungen seiner Interventionen deuten darauf, dass Mesmer sowohl mit direkter Berührung als auch mit Techniken zur Beeinflussung der Aura, den sog. mesmerschen Strichen, arbeitete.

Aus diesen sollte sich in den nachfolgenden Generationen die typische Handbewegung zur Tranceinduktion in der Hypnose entwickeln. Ein weiteres bemerkenswertes wissenschaftshistorisches Detail: Mesmer beschrieb und betonte die Wichtigkeit einer dramatischen Phase der Intensivierung der Symptome, der sog. Krisis. Dieser Begriff sollte, von Mesmer ausgehend, in der Homöopathie Hahnemanns große Bedeutung erlangen.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 18. Januar 2016

FRANZ ANTON MESMER - DER ERSTE KÖRPERTHERAPEUT DER NEUZEIT

Mit Franz Anton Mesmer beginnt auch die Geschichte der modernen Körpertherapie. Wie hier bei Ellenberger (Henry F. Ellenberger: Die Entdeckung des Unbewussten), so weist die offizielle wissenschaftliche Lesart zwei mehr oder weniger bedeutsame Simplifizierungen auf:

Die eine, bedeutsame, ist, in F. A. Mesmer den Entdecker der Hypnose zu sehen und damit den Urvater der dynamischen Psychologie. Dies wird, wie u.a. auch von Ellenberger, damit verknüpft, Mesmers lebensenergetisches Modell des sog. "animalischen Magnetismus" abzuwerten, als Suggestion oder Scharlatanerie abzutun, statt es einer ernsthaften Diskussion oder sogar Überprüfung anheim zu stellen. Ganz ähnlich, wie es zwei Jahrhunderte später dem Modell der von Wilhelm Reich postulierten Orgonenergie geschah. Wenn die von Mesmer postulierte Lebensenergie des sog. animalischen Magnetismus nicht existiert, dann lassen sich seine Heilungen nur mit einem anderen System erklären, und dieses ist naheliegenderweise dann ein System von Suggestion, die Hypnose.

Ein Argument, das die Lesart, in Mesmer den Urvater der Hypnose zu sehen, unterstützt, ist die Tatsache, dass sein wichtigster und wohl bekanntester Schüler, der Marquis de Puységur, tatsächlich den künstlichen Somnambulismus entdeckte und noch zu Mesmers Lebzeiten ein entsprechendes Modell des Mesmerimus popularisierte, das sich grundlegend vom lebensenergetischen Ansatz Mesmers unterschied.

Der andere unbedeutendere, aber psychologisch aufschlussreiche Mythos, der in obigem Zitat zum Ausdruck kommt, ist die Annahme eines am Lebensende "bitter enttäuschten" Mesmers. Dass dies so nicht stimmt, werde ich auf Grundlage der von mir angeführten Quellen zeigen können, die darauf hindeuten, dass die letzte Lebensphase Mesmers ebenso ungewöhnlich war wie sein vorangegangenes Leben, aber alles andere als "bitter".

(1)
Was Mesmer so bedeutend macht und ihm den ersten Platz in einer illustren Reihe berühmter Körper- und Psychotherapeuten verschafft, könnte man folgendermaßen skizzieren: Mit Mesmer beginnt die Geschichte der Psychotherapie als einer Methode, in der die Erkrankungen des Körpers und der Seele (noch) nicht als getrennt behandelt werden. Das methodische Bindeglied ist hier das Modell der Lebensenergie, die Mesmer als animalischen Magnetismus bezeichnet. Ob seine Methode als Hypnose, Suggestion, Übertragungsheilung oder Geistheilung interpretiert wird, ist einzig Lesart seiner späteren Interpreten. Mesmer selbst jedenfalls war sein Leben lang davon überzeugt, mit magnetisch-energetischen Kräften zu arbeiten und hat seine Theorie und Praxis allein auf dieser Grundlage entwickelt.

(2)
Die Beschreibungen seiner Methode legen nahe, dass Mesmer mit therapeutischen Handwerkszeugen meisterlich umzugehen pflegte, die in den späteren Entwicklungen der Psychotherapie entscheidende Funktionen übernahmen: Katharsis: ("Krisis" bei Mesmer), Regression (magnetischer Schlaf), Übertragung (Rapport).

(3)
Mit Mesmer betritt zum ersten Male ein Pionier der Körper-Seelen-Therapie die historische Bühne, der eine Jüngerschaft um sich schart, zum Gründer einer eigenen Schule wird, die über seine Zeit hinaus eine eigenständige Traditionslinie Therapie bildet. In der Tat existieren bis heute sog. Magnetiseure, die sich auf Mesmer berufen.

(4)
Solche Dualität von Therapeut und Schulengründer wird in der Persönlichkeit Mesmers verflochten durch ein gehöriges Maß an Sendungsbewußtsein, solange er im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand. Wohl keiner seiner Nachfolger mit Ausnahme von Freud erreichte solche Popularität, wurde so heiß verehrt und so blindwütig gehasst wie Mesmer. In Übereinstimmung mit den meisten Pionieren findet sich Mesmers Überzeugung vom revolutionären Charakter seiner Erkenntnisse für die Wissenschaften vom Menschen.

(Fortsetzung folgt)

WILHELM REICH - DER PSYCHO-REVOLUTIONÄR



Brillant, behende in seiner Auffassungsgabe, kreativ, bisweilen stürmisch, aber loyal zur Psychoanalyse Freuds begann Reich seinen Weg Anfang der 20er Jahre in Wien. Doch die Idylle dauerte nicht an.

Reich stellte bald die Frage nach der organismischen, der libidinösen Basis der Neurose. In diesem Schritt war knospenhaft die ganze spätere Entwicklung des Seele-Körper-Modells Reichs enthalten: Jedem seelischen Symptom geht ein biologisch-energetischer, insbesondere sexueller Blockierungsprozeß (im Kontext der psychosexuellen Entwicklungsphasen des Kindes) voraus, ist ihr Ausgangspunkt und Nährboden.

Die Direktheit Reichs, Dinge beim Namen zu nennen, ließen die Qualität der sexuellen Erlebnisfähigkeit seiner Patienten ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit rücken. Ende der 20er Jahre, lange vor anderen Sexualforschern, begann er systematisch und detailliert das sexuelle Erleben seiner Patienten in Tiefeninterviews und in seinen Analysen zu erforschen.  Er gewann auf diesem Weg bald den Eindruck, dass sexuelle Störungen, Blockierungen der sexuellen Erlebnisfähigkeit die Regel und nicht die Ausnahme in der Bevölkerung darstellten.

Wenn die blockierte sexuelle Erlebnisfähigkeit also der Kern der Neurose war, wie ließ sich dann das Gegenteil, die nichtblockierte sexuelle Energie definieren? Diese Frage führte Reich direkt zur (seelisch-energetischen) »Funktion des Orgasmus«. So titelte Reich sein erstes umfangreiches Buch: Die Funktion des Orgasmus (1929). Es ist voll mit Fallbeispielen sexueller Störungsmuster und stellt ausführlich Reichs theoretische Schlussfolgerungen dar.

Reich erkennt im Orgasmus eine grundlegende psychobiologische Funktion einer Spannungsabfuhr, die über das Genitale hinausgeht, und die für das seelische Wohlbefinden grundlegend ist. Gelingt diese Spannungsabfuhr nicht oder nur unzureichend, so ist nach Reich damit der Nährboden für seelische und körperliche Probleme angelegt. In diesem Zusammenhang prägte er die Begriffe der "orgastischen Potenz" bzw. der "orgastischen Impotenz".

In seiner sog. „Orgasmusformel“ beschreibt er diesen Vorgang: Mechanische Spannung – energetische Ladung – energetische Entladung – mechanische Entspannung.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 17. Januar 2016

WILHELM REICH - AUFREGENDE FRAGEN ZUR FALSCHEN ZEIT?

Entdecker der Lebensenergie

Er begann hoffnungsfroh als Schüler Freuds, gab der Psychoanalyse innovative Impulse, rebellierte, wurde exkommuniziert, ging den Weg des einsamen Wolfes, fernab vom wissenschaftlichen Rudel seiner Zeit.
Wilhelm Reich gilt als besonders umstrittene Forscherpersönlichkeit, und dies noch fast 60 Jahre nach seinem Tod. Ist man neugieriger, offener geworden für Reich? Wer war dieser Mann, den die einen für ein Genie, eine Lichtgestalt und andere für einen Scharlatan, einen Verrückten halten?

Reichs Thema war die Natur des Menschen, zunächst sein Seelenleben, später mehr und mehr die Schöpfung, die Natur, die Frage nach den Wirkgesetzen des Lebens. Er erforschte die menschliche Sexualität, insbesondere die „Funktion des Orgasmus“, mehr als eine Generation vor Masters und Johnson.

In den 30er Jahren brachte er die Arbeit mit dem Körper in die Psychotherapie. Reich emigrierte 1939 in die USA, baute dort ein privates Forschungsinstitut auf. Um diese Zeit glaubte er eine neue Energieform entdeckt zu haben, die er als Basis aller anderen Energien betrachtete, nannte sie „Orgon“. Er behauptete, die in vielen Kulturen bekannte Lebensenergie (z. B als „Chi“ in China und „Prana“ in Indien) messbar und wissenschaftlich nachweisbar gemacht zu haben.

In unserer Kulturtradition erinnert vieles an den „animalischen Magnetismus“ des Franz Anton Mesmer, der Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts Europa faszinierte.

In einem Verfahren der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA wurde Reich wegen Mißachtung eines Gerichtsurteils in Zusammenhang mit einem Scharlatanerievorwurf zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt und starb im November 1957 im Gefängnis, nachdem seine Bücher in den USA auf Gerichtsbeschluss hin verbrannt wurden. Ein Rehabitilation Wilhelm Reichs in den USA steht bis heute aus.

(Fortsetzung folgt)

FRANZ ANTON MESMER - PIONIER DER MODERNEN KÖRPERTHERAPIE



Auf dem Höhepunkt seiner Popularität war er berühmt wie ein König oder Kaiser. Die Bibliographie des "animalischen Magnetismus", erschienen im Jahr 1800, zählte über 1.000 Titel. Doch mit jedem Jahr wuchs das Unkraut des Nichtwissens über das Wesen, die Essenz seiner Entdeckung.

Als er 1815 starb, war er vergessen. Schüler praktizierten seine Methode, bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, überall auf der Welt. "To mesmerize" ging in den englischen Wortschatz ein und wird bis in die heutige Zeit als Urform der Hypnose dargestellt.

Doch Franz Anton Mesmer (1733—1815) ging es um etwas anderes, nämlich um eine ganzheitliche Heilungsmethode. Sein Fokus war die Bewegung der Lebensenergie im menschlichen Organismus und in der Natur, seine Methode ihre körpertherapeutische Beeinflussung.

Franz Anton Mesmer war der erste ganzheitliche Körpertherapeut der neueren Zeit. Die moderne ganzheitliche Körpertherapie erfreut sich wachsender Verbreitung und Popularität. Vor nicht allzu langer Zeit noch eine belächelte Außenseitermethode, ist es schwieriger geworden, sie zu ignorieren. Freunde und Feinde nehmen zu.

Patienten oder Klienten, je nach Lesart der entweder medizinisch oder psychologisch orientierten Traditionslinien, in denen die Körpertherapie praktiziert wird, suchen in ihr erwartungsfroh eine Alternative zur Verhaltenspsychologie oder Tiefenpsychologie. Die Popularität wächst langsam aber stetig von unten, aber die wissenschaftliche Elite zögert oder verhält sich abwartend bis ablehnend dieser Methode gegenüber. Die traditionelle Kluft von Therapiepraktikern und Therapieforschung ist hier längst nicht überwunden. Aber das ist ja ein alter Hut.

Wenn wir die Frage danach stellen, was denn das Besondere der Körpertherapie ausmacht, so ließe sich als Antwort formulieren, dass ihr ein bestimmtes Menschenbild, ein spezifisches Modell des Körper-Seele-Zusammenhangs zu eigen ist, welches sich nicht nur von anderen psychologischen und psychotherapeutischen Modellen unterscheidet, sondern, zu Ende gedacht, auch den unserer Kultur zugrundeliegenden anthropologischen Konsens potentiell in Frage stellt.

Lebensenergie, als allgemeines Wirkprinzip der Natur und Fundierung eines ganzeheitlichen Menschen- und Naturmodells, hat in diesem Konsens keinen Platz, existiert nicht, und wenn, dann nur in den Hirnen weniger Wirrköpfe. Wilhelm Reich (1897—1957), gilt in unserem Jahrhundert als ein solcher Wirrkopf, der, ohne seinen Vorläufer Mesmer zu kennen, bis in die Details übereinstimmende Vorstellungen über die Funktionsgesetze dieser Lebensenergie formulierte.
Mit F. A. Mesmer beginnt bemerkenswerterweise aber nicht nur die Geschichte der Psychotherapie, wie es der Wissenschaftshistoriker Henry F. Ellenberger feststellt:
"Am schicksalhaften Wendepunkt ... stand also 1775 Franz Anton Mesmer, den man bisweilen mit Kolumbus verglichen hat. Sie haben beide eine neue Welt entdeckt; beide blieben für den Rest ihres Lebens im Irrtum über die wahre Natur ihrer Entdeckungen, und beide starben als bitter enttäuschte Männer."

(Fortsetzung folgt)