Montag, 18. Januar 2016

WILHELM REICH - DER PSYCHO-REVOLUTIONÄR



Brillant, behende in seiner Auffassungsgabe, kreativ, bisweilen stürmisch, aber loyal zur Psychoanalyse Freuds begann Reich seinen Weg Anfang der 20er Jahre in Wien. Doch die Idylle dauerte nicht an.

Reich stellte bald die Frage nach der organismischen, der libidinösen Basis der Neurose. In diesem Schritt war knospenhaft die ganze spätere Entwicklung des Seele-Körper-Modells Reichs enthalten: Jedem seelischen Symptom geht ein biologisch-energetischer, insbesondere sexueller Blockierungsprozeß (im Kontext der psychosexuellen Entwicklungsphasen des Kindes) voraus, ist ihr Ausgangspunkt und Nährboden.

Die Direktheit Reichs, Dinge beim Namen zu nennen, ließen die Qualität der sexuellen Erlebnisfähigkeit seiner Patienten ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit rücken. Ende der 20er Jahre, lange vor anderen Sexualforschern, begann er systematisch und detailliert das sexuelle Erleben seiner Patienten in Tiefeninterviews und in seinen Analysen zu erforschen.  Er gewann auf diesem Weg bald den Eindruck, dass sexuelle Störungen, Blockierungen der sexuellen Erlebnisfähigkeit die Regel und nicht die Ausnahme in der Bevölkerung darstellten.

Wenn die blockierte sexuelle Erlebnisfähigkeit also der Kern der Neurose war, wie ließ sich dann das Gegenteil, die nichtblockierte sexuelle Energie definieren? Diese Frage führte Reich direkt zur (seelisch-energetischen) »Funktion des Orgasmus«. So titelte Reich sein erstes umfangreiches Buch: Die Funktion des Orgasmus (1929). Es ist voll mit Fallbeispielen sexueller Störungsmuster und stellt ausführlich Reichs theoretische Schlussfolgerungen dar.

Reich erkennt im Orgasmus eine grundlegende psychobiologische Funktion einer Spannungsabfuhr, die über das Genitale hinausgeht, und die für das seelische Wohlbefinden grundlegend ist. Gelingt diese Spannungsabfuhr nicht oder nur unzureichend, so ist nach Reich damit der Nährboden für seelische und körperliche Probleme angelegt. In diesem Zusammenhang prägte er die Begriffe der "orgastischen Potenz" bzw. der "orgastischen Impotenz".

In seiner sog. „Orgasmusformel“ beschreibt er diesen Vorgang: Mechanische Spannung – energetische Ladung – energetische Entladung – mechanische Entspannung.

(Fortsetzung folgt)

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